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Cover picture of Norbert Krueler aka Shamall from his latest release "Schizophrenia"

Shamall – the official pages

Progwereld „Shamall – Schizophrenia“

c/o Dick van der Heijde, Progwereld, NL

Am 6. Dezember 1957 wurde Norbert Krüler in Emsdetten geboren. Wenn man sich Wikipedia anschaut, findet man ihn allerdings nicht unter den berühmten Einwohnern von Emsdetten und das ist eigentlich falsch. Krüler ist nicht nur ein hoch qualifizierter Multiinstrumentalist, mit Keyboards als Hauptinstrument, er kann auch so gut komponieren und produzieren wie die Besten. Seine Karriere dauert nun schon fast 50 Jahre. Ein Rückblick.

In den 70er Jahren fertigt der junge Musiker mit Hilfe einiger Radiogeräusche, eines Mikrofons und seiner Akustikgitarre eine Reihe von Klangfragmenten an, die ihn u.a. als Vorgruppe von Grobschnitt und Birthcontrol auf die Bühne bringen. Später geht Krüler dann als DJ arbeiten und wird seiner Liebe zur elektronischen Musik vollauf gerecht. 1986 gründete er das Projekt Shamall, bei dem er gelegentlich auch mit Musikerkollegen zusammenarbeitet. Nach und nach kommen immer mehr Rock-Einflüsse ins Klangbild, und noch bevor das neue Jahrtausend beginnt, hat sich der Sound von Shamall in eine Musik von einem wahrhaft progressiven Sound voller Krautrock und psychedelischer Atmosphären verwandelt.

In der Zwischenzeit läuft die Elektronik weiter, und während der Schlagzeugcomputer einen Hit nach dem anderen unterstützt, ist da Album Nr. 15: das Doppel-Album „Schizophrenia“. Uns wird großartige Musik für nicht weniger als zweieinhalb Stunden präsentiert, zwei mal elf Lieder, in denen es nur so wimmelt von Pink Floyd und Eloy-Einflüssen, in denen aber auch die Arbeit von Tangerine Dream, Enigma und Alan Parsons u.a. ihre Spuren hinterlassen haben. Soviel dazu.

Krüler ist zunächst einmal Keyboarder und zwar ein erstaunlich Guter. Bisher hat er relativ wenig Aufmerksamkeit auf Progwereld erhalten und deshalb juckt es mir in den Fingern, das nachzuholen. Mann, er bringt eine Menge wunderbarer Soli hervor und seine Akkorde sind wunderschön. Er erinnert spielerisch sehr an Manfred Mann, versprüht aber auch die gleiche Melodie-Begeisterung wie Gerben Klazinga (Knight Area) und Mark Kelly (Marillion auf früheren Alben). Seine Themen sind natürlich erhaben, wie auch alle seine anderen Interpretationen. Dass der Moog sein bester Freund ist, entpuppt sich als konstant, aber das köstliche Solo im fast 19-minütigen Titeltrack verdient eine gesonderte Erwähnung. Es ist der Moment, in dem die Sonne in diesem eher dunklen Album-Opener durchbricht.

Gesteigert wird die Atmosphäre dieses Titels durch das großartige Gitarrensolo in der Mitte des Songs. Dass Krüler nicht auf den Hinterkopf gefallen ist, zeigt die Tatsache, dass er einen anderen die ganze Lead-Gitarre spielen ließ. Matthias Mehrtens hat eine melodische Spielweise, Krüler arbeitet seit Jahren mit ihm zusammen. Eine Bereicherung für Shamall. Das Titelthema hat einen straffen, fast schon industriellen Rhythmus, der von Zeit zu Zeit durch einen wiederkehrenden Drumbreak unterbrochen wird. Nun, das ist ein Crash-Kurs in Monumentalismus.

Es gibt soviel Musikalität in jedem Song, dass ich mich selbst anketten musste, sonst wäre dies eine megalange Rezension geworden. Ich bin ein ziemlicher Geschichtenerzähler, und dann wird es nicht einfacher, wenn Themen, Melodien und Phrasen in verschiedenen Liedern auftauchen. Nehmen Sie zum Beispiel das Synthesizer-Thema von Thoughts, ein Instrumentalstück, das in zwei Teilen auf dem Album zu hören ist. Dieses filmische Fragment erscheint viermal im ganzen Stück, und weil alle Lieder zusammengeschweißt sind, ist das Album Schizophrenia so stimmig wie seine Einzelteile. Es sind süchtig machende Cds, und wenn „All the answers“ und die „The Inconvenient Truth part I“ einmal gelaufen sind, gibt es kein Halten mehr. Aber lasst sie uns einzeln betrachten. „Frightened“ hat eine köstliche Spannung, die an den „Krieg der Welten“ erinnert. Das Intro von „Foolin‘ Myself“ führt mit seiner Akustikgitarre zu einem feinen Gesangsstück, das wieder einmal zeigt, dass Krüler mit seiner hohen, warmen Stimme der richtige Sänger für Shamall ist. Das heißt, der richtige männliche Sänger. Was Anke Ullrich in „Supernatural Dream“ zum Besten gibt, ist geradezu schön. Ihre Stimme klingt wie eine Mischung zwischen der eines Engels und der einer etwas kindlichen Maggie Reilly. Jedenfalls hat sie eine schöne Stimme. Es gibt auch eine Passage mit Klavier in diesem Lied und eine solche Pracht ist immer willkommen. Schließlich endet die erste CD mit zwei Instrumentalstücken, und um in der gleichen Atmosphäre zu bleiben, wird die zweite CD ebenfalls instrumental eröffnet.

Wir kommen nun zu dem Highlight des Albums, dem epischen Titel „World of Emotions“. Das Lied hat ein ausgezeichnetes Gitarrensolo. Wenn wir die zweite Scheibe weiter anhören, hören wir, dass die Musik eine schöne Fortsetzung des Gebots auf der ersten Scheibe ist. Man könnte sogar sagen, dass sie – je nach Geschmack – noch ein bisschen besser ist als die Erste. Dies ist auf die etwas größere Rolle zurückzuführen, die die Gitarre dort spielt. Vor allem den Block mit „Man in the Mirror“, „The Inconvenient Truth Part 2“ und „The Shape of Things to Come“ bereichert Matthias Mehrtens durch gut gespielte, ausgedehnte Gitarrensoli. Daher kann man sich besonders an dem rockigen Teil „The Inconvenient Truth Part 2“ ergötzen.

Darüber hinaus hören wir viele bekannte Elemente wie z.B. herrliche Keyboard-Soli, schwebende elektronische Musik als Fundament, überwältigende Drumbreaks, geschmackvolles Klavierspiel und herzerwärmende Gesangspartien von Krüler sowie Ullrich und beiden zusammen. In dieser Hinsicht verdienen die von Ullrich gesungenen Titel „We are all in the same boat“ und „Eyes of a Stranger“ eine gesonderte Erwähnung. Sie machen das Album besser. Es ist eine besondere Musik. Die Titel „Voices from Yonder“, „Always livin‘ in a Lie“ und „Despair grows to Anger“ bilden ein unvergleichliches Ganzes, in dem Krüler mit wunderschönen Keyboards mühelos die Aufmerksamkeit auf sich zieht, obwohl wir hier bereits mehr als zwei Stunden seiner Musik gehört haben.

Mir bleibt nur noch zu sagen, dass ich dieses Album mit seinem schönen Artwork bis in die Unendlichkeit schätzen werde. Ach ja, bald werde ich zu Wikipedia surfen, um Norbert Krüler in die Liste der berühmten Einwohner von Emsdetten aufzunehmen. „You can count on me, hero!“

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