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Cover picture of Norbert Krueler aka Shamall from his latest release "Schizophrenia"

Shamall – the official pages

Musikzirkus Magazin: Shamall – Schizophrenia (2019)

von Stephan Schelle, Musikzirkus Magazin, November 2019

Norbert Krรผler aka Shamall macht seit mehr als 30 Jahren Musik. Zu Beginn noch im DJ-Bereich unterwegs, hat er ab 1989 zunรคchst unter dem Pseudonym Shamall Verรถffentlichungen mit elektronischer Musik herausgebracht. Anfang der 2000er Jahre wechselte Shamall dann in den Bereich Progressive-/Artrock, da er der Auffassung war, sich musikalisch zu wiederholen. Das erste Album in diesem Stil war „The Book: Genesis“. Sieben Studioalben (inkl. des Albums „Continuation“ mit Stรผcken, die von den Aufnahmen zum 2013er Album „Turn Off“ รผbrig geblieben sind) hat er in diesem Musikstil seither herausgebracht.

Sechs Jahre hat sich Norbert Krรผler Zeit gelassen um ein neues Album einzuspielen. In der Zwischenzeit erschien das oben erwรคhnte „Continuation“ sowie eine 5 CD-Box mit Aufnahmen seiner kompletten Karriere. Im Oktober 2019 erscheint nun das neueste Werk unter dem Titel „Schizophrenia“. Es ist erneut ein Konzeptalbum und zugleich ein Doppelalbum geworden. Und die Zeit, die Norbert sich dafรผr gelassen hat, hat sich wahrlich gelohnt, denn ihm ist erneut ein herausragendes Album gelungen.

Was aber zunรคchst auffรคllt, ist wiederrum das tolle Artwork. Die CDs befinden sich in einem achtseitigen Digipak inklusive eines 16-seitigen Booklets, in dem sich alle Texte und sehr ansprechende Grafiken befinden. Nicht nur in der Musik zeigt Norbert seinen Perfektionismus, auch die grafische Gestaltung steht dem in nichts nach.

Zwar enthalten die beiden CDs jeweils 11 Stรผcke, doch sind sie so zusammengeschnitten, das auf jedem Silberling ein mehr als 70-minรผtiger Longtrack entstanden ist. Da sich die Dramaturgie der Stรผcke aufbaut und in sich schlรผssig ist, sollte man die CDs in einem Durchgang hรถren.

Wie schon beim Vorgรคngeralbum „Turn Off“, so sind neben Multiinstrumentalist Krรผler (Lead- und Backgroundgesang, Gitarren, Piano, Orgel, Keyboards, Bass und Programmierung) wieder Matthias Mehrtens (Leadgitarre) und Anke Ullrich (Lead- und Backgroundgesang) mit dabei. Vor allem Anke’s Leadgesang im Song „Supernatural Dream“ sorgt nicht nur fรผr Abwechslung, sie bringt auch eine ganz besondere Note in die Musik und setzt einen Kontrapunkt zu Norbert’s Gesang.

Das Album „Schizophrenia“ handelt von den aktuellen Problemen in der Gesellschaft. So setzt sich Shamall mit der Problematik der Ignoranz der Menschen sowie der wachsenden Unruhe innerhalb der modernen Gesellschaft auseinander. Jedem ist eigentlich klar, dass die Welt fast tรคglich unmenschlicher und intoleranter wird und nach auรŸen hin scheint es niemanden so wirklich zu interessieren. Damit hat sich Shamall mit der aktuellen Situation in Deutschland, aber auch auf der Welt, auseinandergesetzt. Uns geht es in Deutschland so gut wie nie und daher schauen wir auch nicht mehr so genau hin, wie es anderen geht oder ob wir mit unserem Verhalten unseren Planeten ruinieren. Die Hauptsache ist, dass wir uns wohlfรผhlen. Das macht Shamall auf „Schizophrenia“ deutlich, in dem er z.B. mit wenigen einfachen Sรคtzen dem Hรถrer den Spiegel vorhรคlt („Man in the Mirror“).

Das Album dient eigentlich der Aufklรคrung und soll ein Aufruf sein. Und so besingt Shamall in weiten Teilen das kollektive Wegsehen, was der Refrain des Titelsongs mit dem traurigen Fazit ausdrรผckt: „es ist doch total schizophren – ich weiรŸ was falsch lรคuft – aber dreh mich nicht mal um – ich tu einfach gar nichts – das ist doch total schizophren….“. Den Gegenpol bildet der Gesang von Anke, die in blumigsten Farben die schรถne „heile“ Welt besingt. Auch Norbert singt an einigen Stellen, dass er sich der Gleichgรผltigkeit ergeben will und sich lieber auf dem Sofa zum Kiffen hinsetzt.

Musikalisch hat er wieder ein Fรผllhorn an Ideen und Sounds erstellt, die vom ersten Ton an gefangen nehmen. Schon von den ersten Tรถnen erkennt man sofort, dass es sich um ein Shamall-Album handelt, denn Norbert Krรผler hat einen sehr markanten und klar zu erkennenden Stil, der immer mal wieder mit Zitaten bzw. Sounds durchsetzt ist, die an groรŸe Acts der Rockmusik erinnern.

Das Album klingt – dem Thema entsprechend – insgesamt etwas hรคrter und bedrohlicher, was auch an einigen der Gesangspassagen von Norbert Krรผler liegt, der seine Stimme bezรผglich seiner Message deutlich Ausdruck verleiht. Gleiches gilt fรผr den Sound der zwischen harten, bombastischen Arrangements und zarten, einfรผhlsamen Passagen hin- und herwechselt. Matthias Mehrtens sorgt dabei fรผr zahlreiche tolle Gitarrensoli, wรคhrend Norbert wiederum atemberaubende Soli an den Tasteninstrumenten eingespielt hat. Dazu lรคsst er mehrfach druckvolle Schlagzeugstaffetten auf den Hรถrer niederprasseln. Das Ganze fรผgt sich dann zu einem grandiosen Gesamtwerk zusammen. Shamall nimmt den Hรถrer so auf eine akustische Achterbahnfahrt mit, bei der ein Ausstieg wรคhrend der Fahrt unmรถglich ist, so fesselnd ist das Arrangement ausgefallen.

Der erste randvolle Silberling endet dann mit einem symphonisch angelegten „Thoughts P.II“, das den ersten Akt beendet und in die Pause รผberleitet, die man benรถtigt, um CD 2 einzulegen. Dieser soundtrackartige Instrumentaltrack beginnt zunรคchst sehr ruhig, um sich im Verlauf seiner 5:38 Minuten immer weiter zu steigern, in dem fette Gitarren und der Schlagzeugrhythmus fรผr hymnische Momente sorgen. Die zweite CD ist aus dem gleichen edlen Holz geschnitzt wie CD Nummer 1.

„Schizophrenia“ von Shamall ist ein herausragendes Album des Progressive-/Artrock mit Zutaten aus Krautrock und traditioneller Elektronikmusik. Atemberaubende Soli (vor allem an Gitarre und Keyboards) und grandiose Melodien gepaart mit gut ausgearbeiteten Schlagzeugrhythmen gibt es zuhauf. Vom ersten bis zum letzten Ton bleibt dieses Meisterwerk der Rockmusik hochgradig spannend. Darรผber hinaus hat sich Norbert Krรผler in den Texten mit einem ernsten Thema (unsere Gesellschaft droht in Gleichgรผltigkeit zu versinken) beschรคftigt.

Fรผr mich zรคhlt „Schizophrenia“ zu den besten Werken des Jahres.

c/o Stephan Schelle, November 2019


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