Shamall ist das Pseudonym des deutschen DJs, Multiinstrumentalisten und Komponisten Norbert Krueler. Mitte der 1980er Jahre veröffentlichte er sein erstes Werk, das sowohl vom Krautrock als auch von der elektronischen Mainstream-Musik beeinflusst war. Durch die progressive Musikszene geprägt, baute er im Laufe der Zeit immer mehr akustische Elemente in seine MUsik ein, um die musikalische Palette zu erweitern. Schizophrenia ist seine 19. Tonträger-Veröffentlichung und mit 2,5 Stunden Spielzeit auf 2 CDs ein absolutes Monstrum.
Angesichts der Länge und des schwergewichtigen Themas wird dies an keiner Stelle ein leichtes Hörerlebnis sein, in Wahrheit stellt es ein etwas schwer verdauliches Festmahl dar, was schwierig ist, denn wie man es von einem Interpreten dieser Erfahrung erwarten kann, gibt es viel zu bewundern. Was hier präsentiert wird, verdient ein größeres Publikum, als ich vermute, dass es in der Lage sein wird, es anzuziehen. Kruelers Stärken liegen eindeutig in seinen Arrangements und der größte Teil des Werkes besteht aus dem, was eindeutig seine bevorzugte Spielweise ist, nämlich aus improvisierendem „Wish You Were Here“-Stil, bei dem er über die Technik und die Berliner Schule nachsinnt.
Ich fand, dass diese eher ambienten Passagen recht gut funktionierten, mit gelegentlichen Ausbrüchen von Gitarre und Saxophon, die den Tonumfang erweitern und sowohl Wärme als auch wütende Aggression einfließen lassen, passend zum Thema. Die Vokalpassagen jedoch sind häufig weniger eingängig, während die Stimme angemessen angstbesetzt ist, die Tonlage meiner Meinung nach etwas zu selten variiert, was für mich zu einem etwas zu gleichmäßigen, einfarbigem Effekt führt, der bei einem Album dieser Länge für mich persönlich nicht wünschenswert ist, und die Verwendung kurzer, sich wiederholender Motive wird den ernsten Themen nicht nur nicht gerecht, sondern erweckt manchmal auch den Eindruck, als würde man eine längere Reihe von Variationen hören. So ist es eine Entspannung, wenn gegen Ende einer der beiden Hälften eine Frauenstimme in den Vordergrund tritt und dabei einige subtilere Ausdrucksformen gewährt.
Wo Shamall meiner Meinung nach wirklich glänzt, ist, ist das Eindringen in neue Dimensionen außerhalb der Komfortzone des bevorzugten Modus „Tangerine Dream“ meets „Pink Floyd“. Die akustischen Töne, die in Thoughts Part II dominieren, zeigen ein gekonntes und subtiles Arrangement, und die wenigen einleitenden Tracks der zweiten Cd sind hervorragend und sprühen vor Energie und Erfindungsreichtum. World Of Emotions ist um vieles besser als fast alles, was ich in letzter Zeit in diesem Genre gehört habe, und in „The Inconvenient Truth Teil II“ gibt es Passagen, die vor Elektrizität strotzen.
Mit Schizophrenia hat Shamall etwas geschaffen, das dennoch zugänglicher und bekömmlicher ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, aber es ist immer noch ein langes und oft anspruchsvolles Zuhören, das wahrscheinlich nur sehr wenig neues Publikum begeistert, obwohl es hier viel Neues und wirklich sehr Gutes zu entdecken gibt.
Meiner persönlichen Meinung nach könnte eine rücksichtslosere Herangehensweise an die Bearbeitung der Musik und mehr Disziplin bei der Vermeidung der Versuchung, die Titel zu überdehnen und neu zu arrangieren, ein strafferes Ergebnis hervorbringen. Hierdurch würde dann ein breiteres Publikum auf einige der hier wirklich hochwertig künstlerischen Darbietungen aufmerksam gemacht.
c/o Background Magazine 2020, Andrew Cottrell
Der Artikel ist auch in English verfügbar.
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