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Cover picture of Norbert Krueler aka Shamall from his latest release "Schizophrenia"

Shamall – the official pages

Interview mit dem Rock City Magazin, August 2020:

Interview mit Rock City, Ausgabe 238, August 2020:

Rock City: Erzählt unseren Lesern mal in einem kurzen Abriss die Bandhistory von Shamall!

Norbert: 40 Jahre DJ im Bremer Aladin – das hinterlässt natürlich Spuren! In kurzen Worten könnte man sagen, 1984 fingen die ersten musikalischen Synthesizerspielereien – damals noch namenlos – an. Schon bevor ich DJ wurde, war ich auf vielen Bühnen in Deutschland als Musiker unterwegs und bestritt das Vorprogramm vieler Bands (Grobschnitt, Eloy, Kraan, Birth Control, Kin Ping Meh etc). Somit war Shamall eigentlich nur eine Rückbesinnung auf die Leidenschaft meiner Jugend, mehr Kreativität in meinen DJ-Alltag zu bringen. Es war ja die Zeit, als Synthesizer mit einem Mal mehr konnten als nur Wind und Regen machen und ich als unermüdliches „Spielkind“, welches ich heute noch bin, damals von „Musik Produktiv“, die ja auch Hauslieferant des Aladin waren, einen ARP nach Hause gebracht bekam. Auf diesem daddelte ich dann Tag und Nacht rum. Und man glaubt es kaum – als erstes Ergebnis kam dann der heute noch nicht totzukriegende Klassiker „Caligula 2009“ heraus. Klaro musste dieser Song gleich im Aladin getestet werden. Durch seine einerseits psychedelisch, dark-wavige Stimmung plus druckvollem Rhythmus, der einen gleich mitgenommen hat, sorgte diese Nummer völlig unerwartet für einen ganz schnellen, unaufhaltsamen Erfolg. Die für die damaligen Schallplattenfirmen wichtigen Earcatcher-Nummern (um überhaupt erst einmal einen Schallplattendeal zu kriegen), waren dann 1986 „My Dream“ und 1987 der Nachfolger „Feeling like a stranger“. Durch den damaligen Disco-Boom reisten die Titel schnell um die Welt. Was dazu führte, dass „My Dream“ und „Caligula“ (als B-Titel) schneller in Istanbul waren als ich.War ja wirklich nett, was wir da gezaubert hatten. „Caligula“ find ich heute noch geil, aber eigentlich bin ich ja mehr so’n „Alternativer Freak“. Dieser Sound hatte ja auch das Aladin jahrzehntelang ausgemacht. Und ein bisschen abgefahrener mit ultralangen Soli und epischen Effekten war da schon eher das, war mir vorschwebte. Ohne darauf abgezielt zu haben, war das dann die Zeit in der plötzlich jede Disco von hier bis Italien mit einer riesigen Laseranlage um Publikum warb. Irgendwie muss ich wohl ein Ohr dafür gehabt haben, was den Leuten gefällt und dabei auch noch für mich neue musikalische Herausforderungen bot. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich ein hoffnungsloser „Lichtfreak“ war und mir schon beim Musizieren etwaige Lichtspiele vorgestellt hatte. In jedem Fall führte das dazu, dass europaweit in den damaligen Riesendiscos mit Laser-Anlage Shamall-Mucke sehr häufig für deren Lasershows genutzt wurde. Der dadurch steigende Bekanntheitsgrad kam völlig unerwartet, war aber natürlich klasse.
Durch die Arbeit als DJ entwickelt man sich ja häufig unbewusst ständig weiter. Man hört neue Bands und neue Klänge, neue Spielweisen, die einen natürlich unbewusst in seinem Tun beeinflussen. „Journey to a Nightmare“ war dann als erster Longplayer 1989 das erste Album das meine damaligen musikalischen Ambitionen passend wiedergegeben hat, wie ich noch heute finde. In diesem Stil hab ich dann bis 1998 sechs weitere Alben produziert, bevor ich meine Mucke erneute auf den Prüfstand stellte. Ich fand logischerweise alles geil, was ich bis dahin gemacht hatte, aber dieser experimentelle Rock mit bodenständigen Gitarren und auch mit Gesang – wie auch immer – plötzlich fehlte mir das alles. Ob’s an der Zeit lag oder an dem Gefühl, dass ich in der rein elektro-psychedelischen Ecke musikalisch alles gesagt hatte – das kann ich heute nicht mehr so genau sagen. Irgendwie wollte ich es spacig, aber rockiger. Und als bekennender Fan von Pink Floyd, Genesis und Manfred Mann etc. wollte ich zu der Zeit einmal herausfinden, was ich denn an eigenen Ideen in dieser Richtung zu sagen hätte. Ich fand ja schon immer Mucke geil, die nicht so nach „Reissbrett-Komposition“ klingt. Eben Mucke, wo man nicht unbedingt voraussagen könnte, was als nächstes kommt.
In dieser Zeit lernte ich meinen noch heute besten Freund Matthias Mehrtens kennen – ein ausgezeichneter Gitarrist – der mich seit dieser Zeit musikalisch begleitet. Erste kleine Gitarren-Snippets von ihm sind schon 1998 auf dem Album „Influences“ zu hören – welches auch zugleich das letzte Album der eher psychedelisch, rein elektronischen Ära sein sollte. Seit der Jahrtausendwende ist Matthias als regelmäßiger Begleiter auf jedem Shamall-Album zu hören. Schließlich und endlich lernte ich dann im Jahr 2010 Anke Ullrich kennen. Anke kommt musikalisch aus einer ganz anderen Ecke. Dennoch haben wir mehr aus Spaß zunächst einmal ein bisschen Session gemacht. Es stellte sich heraus, dass sie es verstand, mit großem Einfühlungsvermögen die Shamall-Musik mit ihrem Gesang zu bereichern.

Rock City: Wie ist es anno 2020 zu einem derart aufwendigen Doppelalbum gekommen und warum? Ist ja eine sehr kostspielige Aktion!
Norbert: Schon als DJ habe ich Tonträger mit einem ausdrucksstarken Cover bevorzugt, weil ich der Meinung war, dass Cover visuell die Musik wiederspiegeln – was in den meisten Fällen auch so ist. Wenn ich dabei nur an Marillion, Genesis, Pink Floyd, Eloy denke – nur um da mal ein paar treffende Beispiele zu nennen. Shamall hatte sich aus einer Laune entwickelt und ich habe es irgendwie geschafft, auch nach 36 Jahren nicht im Sumpf der Langeweiler als „ewig Gestriger“ zu versinken. Shamall hat sich zum epischen Rock, den ich selbst gerne als „Cinematic Rock“ bezeichne, weiterentwickelt. Folglich müssen die Cover für mich auch episch sein. Daher stellt sich für mich nicht die Frage „wie billig kann ich meine Musik, an der ich Ewigkeiten gearbeitet habe, pressen?!“ Für mich ist das ein „großes Ganzes“. Sie sind ein Teil von mir persönlich. Ich möchte immer das Gefühl haben, wenn ich morgen die Augen zumachen sollte, dass ich zumindest was Gutes hinterlassen habe. Zumindest hat diese Sichtweise dazu geführt, dass Shamall-Platten bis heute von den Fans ungehört gekauft werden. Und auf dieses Vertrauen bin ich sehr stolz.

Rock City: Wie seid Ihr auf den Albumtitel gekommen und warum?
Norbert: In meiner Wahrnehmung hat sich die Welt total verändert. Auf diesem Album habe ich mich mit der Ignoranz der menschlichen Spezies gegenüber den aktuellen sozialen und ökologischen Problemen beschäftigt – frei nach dem Motto: „Wir alle wissen doch eigentlich was falschläuft und tun einfach nichts.“ Das finde ich schizophren.

Rock City: Wie würdet Ihr Euren musikalischen Stil einem Musikinteressierten, der Euch noch nicht kennt, beschreiben und charakterisieren?
Norbert: Von Radiosendern und anderen Zeitungs- und Magazinrezensenten wird die Musik von Shamall häufig als spaciger Neoprog mit Ansätzen von Hardrock und Progmetal als auch als Artrock bezeichnet. Ich mache mir das etwas einfacher und bezeichne sie als „geile, cineastische Rockmusik“. Ich kann mit diesen ganzen Schubladen immer nichts anfangen. Daher gibt es für mich nur gute und schlechte Musik. Da ich bei meiner eigenen Musik Gänsehaut bekomme, ist sie zumindest für mich schon mal gut 😉

Rock City: Welche musikalischen Einflüsse habt Ihr zu vermelden?
Norbert: Wir musizieren immer einfach drauf los, ohne großartig darüber nachzudenken, nach was oder wem sich das anhören könnte. Fans jedoch haben da eine feste Vorstellung, in der immer wieder Bands wie Pink Floyd, Marillion, Alan Parsons, Ayreon, Manfred Mann, Tangerine Dream, ja sogar Boston genannt werden.

Rock City: Eure weiteren Pläne?
Norbert: Nach dem „Marathon“-Album Schizophrenia, an dem ich fast 6 Jahre gearbeitet hab‘, wurden frühe Pläne für 2020 aus gesundheitlichen Gründen erst einmal zurückgestellt. Seit kurzem werden erste Skizzen für das nächste Album erstellt. Erste Lyrics für das nächste Album sind geschrieben und erste vorläufige Arbeits-Arrangements eingespielt.


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